Aus dem Inhalt / from the book:
Kurzbeschreibung
Inhaltsverzeichnis
Textauszug
Videos
Zur Autorin
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Kurzbeschreibung:
Im Jahr 2010 nahm die Islamwissenschaftlerin Prof. Dr.
Dr.h.c. Gudrun Krämer den Gerda Henkel Preis entgegen.
In der Begründung der Jury heißt es: »Gudrun
Krämer ist eine quellen-, sprach- und methodensichere
Historikerin. Sie untersucht, erläutert und
erklärt, kritisch, aber mit sichtbarer Zuneigung zu
ihrem Forschungsgebiet, die Geschichte, die Kultur, die
Religion und die Wertvorstellungen der Muslime und gewinnt
daraus Erklärungsmuster auch für gegenwärtige
Konflikte. Da sie eine glänzende Stilistin ist, hat sie
sich ein Publikum weit über die Grenzen ihres Faches
hinaus erobert. Gudrun Krämer sucht sich für ihre
Arbeiten brisante Themen, so dass sie, ohne an fachlicher
Reputation zu verlieren, in den Medien und in der Politik zu
einer gesuchten, verständlich sprechenden und
urteilenden Expertin für jene Fragen geworden ist, die
uns in der Auseinandersetzung mit Islam und Islamismus
aktuell beschäftigen.«
Im Rahmen der Preisverleihung am 8. November 2010 ging
Gudrun Krämer u.a. der Frage nach, wie man als Muslim
in der Moderne leben soll. Zugleich bedauerte sie mit Blick
auf aktuelle Diskussionen, wie schwer und lastend die Rede
über den Islam geworden sei. Alles Leichte,
Spielerische, Uneindeutige scheine sich zu
verflüchtigen. Der vorliegende Band ermöglicht es,
ihre Gerda Henkel Vorlesung nachzulesen, und gibt auch die
übrigen Beiträge der Festveranstaltung wieder.
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Inhaltsverzeichnis:
Zum Geleit Julia Schulz-Dornburg
Grußwort Annette Schavan
Begrüßung Michael Hanssler
Bericht der Jury Wolfgang Frühwald
Laudatio Rudolf Schlögl
Distanz und Nähe – Fragen einer kritischen Islamwissenschaftlerin
(Gerda Henkel Vorlesung) Gudrun Krämer
Gudrun Krämer Vita, ausgewählte Publikationen
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Textauszug:
Die Islamwissenschaft ist eine eigenartige Wissenschaft,
die quer liegt zu den Kategorien der deutschen Hochschule
und oft auch den Erwartungen ihres Publikums – keine
bloße Regionalwissenschaft für den Nahen und
Mittleren Osten, als die sie oft verbucht wird, und keine
reine Religionswissenschaft, die viele in ihr vermuten, aber
auch keine anwendungsorientierte Disziplin zur Lösung
gesamtgesellschaftlicher Probleme von der Integration bis
zur Förderung einer offenen Bürgergesellschaft.
Vieles an ihr ist kontrovers, wenn nicht unter den
Fachvertretern selbst, dann in den Augen anderer, Muslimen
wie Nichtmuslimen, Freunden des Islam wie seinen Kritikern
und Feinden. Und derer gibt es, wie wir wissen, viele.
Die Islamwissenschaft ist ein Fach voll Spannung
– im doppelten Sinn des Wortes. Darin liegt ihr
Reiz – und auch der ist doppeldeutig. Wie wenige
Fächer fordert sie die stete Klärung des eigenen
Standorts, der eigenen Perspektive. Ja, oft genug fordert
sie regelrecht das Bekenntnis zu diesem Standort, dieser
Perspektive. Das Bekenntnishafte wird sich im Zuge der
Etablierung bekenntnisgebundener »Islamischer
Studien« an deutschen Hochschulen vermutlich noch
verschärfen, die ja auf der Unterscheidung zwischen
bekennenden und nicht-bekennenden Wissenschaftlern beruhen,
die Grenze zwischen innen und außen bekräftigen
und damit zugleich Distanz und Nähe suggerieren.
...
Wie soll man als Muslim in der Moderne leben? (Ich sage
mit Bedacht »soll«, denn an dem »kann«
kann kein Zweifel bestehen.) Die Frage steht nun schon seit
mehr als einem Jahrhundert im Raum und hat ihre
Aktualität, wie unsere eigene, bundesdeutsche
Befindlichkeit zeigt, keineswegs verloren. Seit dem
ausgehenden 19. Jahrhundert impliziert islamische Reform,
offen ausgesprochen oder nicht, immer auch die
Auseinandersetzung mit dem Westen. Dass »der
Westen« hier als Chiffre für die technologisch und
machtpolitisch überlegenen industriellen und
postindustriellen Gesellschaften Europas und Nordamerikas
steht, sei als bekannt vorausgesetzt. Dass islamische Reform
auch den Islamismus hervorgebracht hat, in diesem aber nicht
aufgeht, und dass Islamismus mehr ist als Jihad und Scharia
und patriarchalische Unterdrückung könnte an sich
ebenfalls bekannt sein, ist es aber nicht, jedenfalls nicht
allgemein. Tatsächlich illustriert die islamische
Reformbewegung einschließlich des politisch aktiven
Islamismus geradezu mustergültig ein Phänomen, das
in der Ethnologie und Sozialwissenschaft unter dem Stichwort
»Tradition als Ressource« geführt wird.
Ebenso mustergültig illustriert sie, was im Englischen
so schön entanglement heißt – ein
Ineinander-verhakt-sein, »Verwicklung«,
»Verwobenheit« oder mit dem aktuellen Modewort
»Verflechtung« (nur mit Bezug auf den
Nationalsozialismus ist immerzu von »Verstrickung«
die Rede). Die Beziehungsgeschichte, um die es hier geht,
zählt nach meinem Empfinden zu den reizvollsten Feldern
der Geschichts- und Kulturwissenschaft.
...
Je länger man sich mit den aktuellen Debatten
befasst, desto weniger fällt einem noch auf, wie schwer
und lastend die Rede über den Islam geworden ist. Alles
Leichte, Spielerische, Uneindeutige scheint sich zu
verflüchtigen. Alles wird – und das spiegelt
vielleicht eine spezifisch deutsche Form der
öffentlichen Rede wider – zum Problem.
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Videos:
Sie finden Live-Videos
des Vortrags von Gudrun Krämer wie auch der Laudatio von
Rudolf Schlögl vom Abend der Verleihung des Gerda
Henkel Preises (8. November 2010) auf der Website der Gerda
Henkel Stiftung
[Klick zum Video].
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Zur Autorin:
Geb. am 3. August 1953 in Marburg a.d. Lahn;
1972–1978 Studium der Geschichte, Anglistik und
Politikwissenschaft sowie der Islamwissenschaft in
Heidelberg, Bonn und Sussex;
1982 Promotion im Fach Islamwissenschaft an der
Universität Hamburg;
1982–1994 Referentin der Stiftung Wissenschaft und Politik
in Ebenhausen;
1993 Habilitation im Fach Islamwissenschaft am Fachbereich
Orientalistik der Universität Hamburg;
1994–1996 Professorin für Islamwissenschaft an der
Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn;
Seit 1996 Professorin für Islamwissenschaft an der Freien
Universität Berlin;
Seit 2007 Direktorin der im Rahmen der Exzellenzinitiative
gegründeten Berlin Graduate School Muslim Cultures
and Societies der Freien Universität Berlin;
Gastdozenturen und -professuren in Bologna, Erfurt,
Paris, Kairo, Beirut und Jakarta;
Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der
Wissenschaften;
Ehrendoktor der Tashkent Islamic University
Ausgewählte Publikationen:
Hasan al-Banna. Oxford, New York 2010;
Speaking for Islam. Religious Authorities in Muslim
Societies (Hg. mit Sabine Schmidtke). Leiden 2006;
Anti-Semitism in the Arab World (Hg.) (= Die
Welt des Islams, 46, 2006, 3);
Geschichte des Islam. München 2005
(Taschenbuchausgabe: München 2008);
Geschichte Palästinas. München 2002 (5. Aufl.
2006) (überarb. A History of Palestine. From the Ottoman
Conquest to the Founding of the State of Israel. Princeton
2008);
Responsabilité, égalité, pluralisme.
Réflexions sur quelques notions-clés d'un ordre
islamique moderne. Casablanca 2000;
Gottes Staat als Republik. Reflexionen
zeitgenössischer Muslime zu Islam, Menschenrechten und
Demokratie. Baden-Baden 1999;
The Jews in Modern Egypt, 1914–1952. London,
Seattle 1989;
Ägypten unter Mubarak. Identität und nationales
Interesse. Baden-Baden 1986;
Encyclopaedia of Islam Three. Leiden, Boston 2007–
(Mitherausgeberin)
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